Braunes Fallobst? Rechte Wanderfreunde beim Hermannslauf

Wanderfreunde für den guten Zweck: Unternehmer, Handwerker, Hooligans und Neonazis

Jedes Jahr im Mai zieht der Hermannslauf Tausende Läufer*innen und Wander*innen nach Ostwestfalen, die sich der Herausforderung der 31-km-langen Strecke zwischen Detmold und Bielefeld stellen wollen. Über 6000 Läufer*innen und mehr als 1000 Wander*innen nahmen allein im Jahr 2023 teil. Die Teilnehmer*innen stammen aus verschiedenen Städten und Regionen, sie nehmen allein oder als Team teil. Viele Teams stellen ihre Teilnahme unter ein wohltätiges Motto und sammeln Spenden für entsprechende Organisationen oder Vereine. So auch das Team Fallobst. 2014 startete das Team Fallobst zum ersten Mal beim Hermannslauf. Im Magazin Supporter (Ausgabe 34, herausgegeben durch den Arminia Supporters Club) wird das Team als „verschworener Haufen um die Arminen Michael ‚Onkel Heini‘ Heyn und Marcel Lossie“ vorgestellt. Die Idee für das Team hatte nach Eigenangaben Michael Heyn, hinzugekommen seien „ein paar Leute aus der Bielefelder Fanszene“. Gemeinsam mit dem bekannten Bielefelder Unternehmer Marcel Lossie (u.a. Gin Lossie, Rübe Vodka, Fast4Ward GmbH, Lokschuppen), der ebenfalls der Fanszene von Arminia Bielefeld angehört, sei dann die Idee entstanden, für das Projekt Fruchtalarm Spenden zu sammeln. Das Projekt Fruchtalarm hat sich zum Ziel gesetzt, den Alltag von Kindern und Jugendlichen auf Krebsstationen durch frisch gemixte Fruchtcocktails aufzuheitern. Gegründet wurde das Projekt 2010 von Marcel Lossie, seit 2012 ist die von Laer Stiftung für das Projekt verantwortlich. Ein nobles Spendenziel. Jedoch fällt bei näherer Betrachtung des Team Fallobst auf, dass dieser „verschworene Haufen“ auch aus rechten Althooligans und Neonazis besteht. In Zeiten des zunehmenden Rechtsrucks, des Erstarkens nationalistischer und profaschistischer Kräfte wie der AfD muss sich eine Stadtgesellschaft fragen, ob sie den offenen Schulterschluss von gewaltbereiten Hools und Neonazis mit Unternehmern und Handwerkern im Team Fallobst in ihrer Mitte dulden will, egal unter welchem wohltätigen Deckmantel sie laufen. Zeit für einen genaueren Blick auf das Team Fallobst.

Der Teamkapitän: Rechter Althooligan

Michael Heyn (rechts, 25 Jahre Feier Blue Army)
Michael Heyn

Michael Heyn, der gemeinsam mit Marcel Lossie das Team Fallobst gründete, ist in Bielefeld und auch darüber hinaus unter seinem Spitznamen Onkel Heini in Hooligan-Kreisen wohlbekannt. Heyn, heute 59 Jahre alt, gehört seit Gründung 1982 zu der rechten Hooligantruppe Blue Army Bielefeld, auch bekannt unter dem Namen Ostwestfalenterror (OWT). Bis heute ist er das bekannteste Gesicht der Blue Army/OWT. Hooligans stellen sich selbst nach außen oft als unpolitisch dar. Ihre spezifisch patriarchal-gewaltvollen, auf Gruppenidentität getrimmten Zusammenhänge weisen aber oft personelle Überschneidungen in andere Männerbünde wie neonazistische Kameradschaften oder auch Rockergruppierungen auf. So auch bei der Gruppe, in der Michael „Onkel Heini“ Heyn sich seit vier Jahrzehnten bewegt. Auch wenn die Blue Army/OWT nicht primär als von Neonazis geprägt gelten kann wie bspw. die ähnlich alte Borussenfront in Dortmund, so wurden und werden immer wieder ideologische Sympathien und personelle Kontakte in die Neonazi-Szene Ostwestfalens deutlich. Subkulturell inszenierte Männlichkeit, sozialdarwinistische und rassistische Überzeugungen bilden hier ein Bindeglied zwischen den Szenen. 1989 gab die Blue Army/OWT ein eigenes Fanzine heraus „der Rüpel“. Auf dem Cover der ersten Ausgabe ist ein Skinhead mit einem OWT-Shirt abgebildet und Baseballschläger in der Hand, links und rechts am Bildrand steht der abgewandelte Leitspruch der nationalsozialistischen Schutzstaffel (SS) „Unsere Ehre heisst Treue“. Der Satz gilt als Bekenntnis zu der SS und ihren Verbrechen und ist in Deutschland strafbar. Am linken unteren Bildrand ist eine Odalrune abgebildet, die das Logo von Arminia Bielefeld umrahmt. Die Odalrune war im Nationalsozialismus unter anderem das Symbol der Hitlerjugend, nach 1945 nutzten verschiedene neonazistische Gruppierungen das Symbol, darunter die 1994 verbotene Wiking-Jugend. Zum 20-jährigen Bestehen der Blue Army/OWT 2002 wurde ein Bericht der Jubiläumsparty im Neonazi-Fanzine Skinhead-Meeting abgedruckt.

24.06.23, 40+1 Feier Blue Army, v.l. hockend Andre Krumm, dahinter Michael Heyn, ganz rechts Frank Dreier (Bierstube Esser)

Bei den Partys der Blue Army/OWT nehmen immer wieder auch bekannte Neonazis, wie z.B. aus dem Umfeld der ehemaligen Road Crew OWL (siehe Abschnitt Jan Weißberg) teil, wie sich zuletzt bei der „40+1 Jubiläumsparty“ im Juni 2023 zeigte. Zu den Gästen gehörten unter anderem Sven Göhner, Jan Weißberg, Magnus Brandenburg, Enrico Petzke und Dirk Heiermeier. Fotos der 25-Jahre-Blue-Army-Party aus dem Jahr 2007 zeigen Jan Weißberg im Shirt der Road Crew bei den Feierlichkeiten. Der Kontakt ist nicht abgerissen, 15 Jahre später (2022) läuft Weißberg mit im Team Fallobst.

ganz links: Jan Weißberg (25 Jahre Feier Blue Army)

Im zweiten Jahr des Team Fallobst machte Michael Heyn selbst überregional Schlagzeilen: Am 19.04.2015, nur knapp eine Woche vor dem Hermannslauf, ereignete sich ein rassistischer Übergriff auf eine türkischstämmige Familie vor der Parkgarage Altstadt-Carré am Waldhof in Bielefeld. Die Osnabrücker Zeitung schrieb damals zum Tathergang: „Am 19. April war die zehnköpfige Familie, sechs Frauen und vier Männer, nachts auf dem Weg von einer Familienfeier auf dem Weg zu ihrem Auto. Vor einem Parkhaus trafen sie auf drei mutmaßliche Neonazis. Die zwei Männer mit Glatzen und Springerstiefeln und ihre Begleiterin beleidigten die Familie rassistisch und griffen sie an. Ein 27-Jähriger erlitt einen Nasenbeinbruch sowie eine Kieferverletzung, seine Frau und sein Bruder wurden durch Schläge leicht verletzt.“ Als die Polizei am Tatort eintraf, tauchten acht bis zehn weitere Männer auf, die die Familie erneut angriffen. Die Polizei setzte Pfefferspray ein. Keine*r der Täter*innen konnte in der Nacht durch die Polizei gestellt werden. Die Bielefelder Polizei stand damals in der Kritik, da sie die rassistische Dimension der Tat nicht als solche erkannt und den Fall erst spät der Öffentlichkeit bekannt gemacht hatte. Onkel Heini wanderte eine Woche später den Hermannslauf als Kapitän des Team Fallobst. Im Juni 2015 dann konnten Michael Heyn und seine Frau auf Fotos als Täter*innen identifiziert werden. Das Ehepaar schwieg sich zu den Vorwürfen aus. 2016 erfolgte der Prozess wegen gemeinschaftlicher Beleidigung und gegen Onkel Heini wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Heyn wurde im Verlauf von der Staatsanwaltschaft als gewaltbereiter und einflussreicher Hooligan der Blue Army/OWT beschrieben, der auch in der rechten Szene bekannt sei. Letztendlich wurde das Verfahren gegen Heyn gegen Auflagen eingestellt.

Werteunion, Neonazis und Hooligans: Markus Mittwoch

Hans-Georg Maaßen + Markus Mittwoch (2019)

Markus Mittwoch ist Mitglied der CDU Bielefeld, der CDU-internen Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) sowie stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins WerteUnion NRW. Zeitweise war der Malermeister aus Bielefeld auch im Bundesvorstand des rechten Vereins aktiv, der sich jüngst unter der Führung von Hans-Georg Maaßen als Partei neu gründete. Den stellvertretenden Landesvorstand teilt sich Mittwoch mit Christoph Wald und Michaela Schneider. Schneider war kürzlich in den bundesweiten Schlagzeilen, als Recherchen von correctiv offenbarten, dass sowohl Schneider als auch die erste Vorsitzende der WerteUnion NRW, Simone Baum, an dem bekannt gewordenen Geheimtreffen in Potsdam teilgenommen hat. Bei dem Treffen diskutierten die beiden WerteUnions– und CDU-Mitglieder gemeinsam mit Neonazis, finanzstarken Unternehmern und anderen rechten Akteur*innen Pläne, die Millionen von Menschen, ausgewählt nach rassistischen Kriterien, zur Ausreise aus Deutschland zwingen sollten. Die WerteUnion stellte sich hinter Baum und Schneider, verharmloste den Charakter des Potsdam-Treffens und der rassistischen Pläne, die dort vorgestellt wurden. Markus Mittwoch scheinen die Recherchen zu seinen Vereinsfreundinnen ebenfalls nicht abgeschreckt zu haben, im Gegenteil. Auf seinem facebook-Account teilte er im Januar und Februar Videos von Schneider und Baum, in denen sie das Treffen und ihre Teilnahme daran verharmlosen. Die in Folge der correctiv-Recherche bundesweit stattfindenden Demos gegen rechts, bei denen mehr als 1 Million Menschen ein notwendiges Zeichen setzten, bezeichnet Mittwoch in einem facebook-Beitrag vom 07.02.2024 als „Hass-Demos welche sich gegen die AfD und die WerteUnion richten“. Am 26.01.2024 war er mit dem rechten Video-Blogger und WerteUnions-Mitglied Peter Weber im Landtag in Düsseldorf, wo Mittwoch (zum wiederholten Mal) gemeinsam mit dem AfD-Landtagsabgeordneten Martin Vincentz für Webers Format „Hallo Meinung“ ein Interview gab (mehr zu Weber gibt es hier: https://www.belltower.news/youtube-rechtsaussen-was-ist-eigentlich-hallo-meinung-110095/). An dem Interview sollte ursprünglich auch Simone Baum teilnehmen, Baum sagte aber infolge der correctiv-Recherchen das Interview ab. Mittwoch bagatellisiert in dem Interview das Potsdam-Treffen als harmloses privates Treffen („Glaubt mir, ich kenn solche Treffen, das sind harmlose Treffen“ Min 12:30) und sieht die WerteUnion als Opfer einer linken Medienkampagne. Er würde Martin Sellner, wenn er ihn treffen würde, auch die Hand geben, so Mittwoch gegenüber Weber und Vincentz. Berührungsängste mit Neonazis hat er ohnehin nicht, was auch seine privaten Kontakte zeigen.

Dirk Stranghöner + Markus Mittwoch (2018)

Wanderfotos auf facebook zeigen Mittwoch zusammen mit dem Neonazi Dirk Stranghöner aus dem Kreis Lippe. Stranghöner ist seit mehr als 25 Jahren als Neonazi bekannt und aktiv. Er war unter anderem Teil der neonazistischen Kameradschaft Bielefeld sowie der Road Crew OWL. Wenn Stranghöner mit anderen bekannten Neonazis wie Marcus Winter (Mindener Jungs), Michael Sundermann und Jan Weißberg zum Vatertagsausflug loszieht, gefällt das Markus Mittwoch auf facebook.

Im November 2023 besuchte Mittwoch nach Eigenangaben den Tabak- und Spirituosenabend der Burschenschaft Normannia Nibelungen in Bielefeld. Die Bielefelder Burschenschaft ist schon lang als nationalistisch öffentlich bekannt und hält gute Kontakte in diverse Spektren rechter Organisierungen. So haben (ehemalige) „Normannen“ Bezüge in unterschiedliche Spektren, von der AfD, über Identitäre Bewegung bis hin zu der 2023 in Deutschland verbotenen Hammerskin Nation.

Auf facebook betreibt Mittwoch des weiteren seit 2018 den rechtskonservativen Blog NachGedacht. Hier teilt er heute vornehmlich Inhalte der WerteUnion mit einem kleinen Publikum. In den Jahren vor der Corona-Pandemie dominierten hier vor allem Anti-Merkel-Sprüche, refugee-feindliche, rassistische Textfragmente und pressefeindliche Statements. So setzte er z.B. ARD und ZDF im Oktober 2019 mit der von Joseph Goebbels geführten NS-Staatspropaganda gleich. Ab März 2020 dominierten dann coronaleugnerische Mythen, stets verbunden mit Hetze gegen Geflüchtete, Mittwochs NachGedacht-Blog. Passend zu seinen coronaleugnerischen Ansichten nahm er am 21.01.2022 an der rechten verschwörungsideologischen Demo der Gruppe Bielefeld steht auf teil.

Team Fallobst Hermannslauf 2015, unten v.l.n.r. u.a.: Jens Niehoff, Andreas Jäger, Markus Mittwoch, Michael K, Andre Krumm, Thomas Zimmer. Oben v.l.n.r. u.a.: Marcel Lossie, Dirk Klemme, Michael Heyn, Marco Rabeneick, Hans-Jürgen Husemann (Nr. 8556)

Zwischen 2017 und 2022 veröffentlichte Mittwoch 8 Artikel bei dem rechtskonservativ Online-Magazin Tichys Einblick, in denen er als Gastautor und Mitglied der rechtskonservativen CDU-Initiative Konrads Erben gegen Angela Merkel, Geflüchtete und nicht-rechte Politik wetterte. Die CDU und auch die WerteUnion verneinen eine Nähe zu Neonazis. Wie die Causa Mittwoch dazu passt, wird sich zeigen.

28.06.2014, Honour&Pride Konzert Nienhagen: Hans-Jürgen Husemann (iMitte, Hand oben), Dirk Stranghöner (links, versteckt hinter Person) / Quelle: Antifaschistische Recherche
2013, Road Crew Fußballturnier, v.l.n.r.: Jan Weißberg, Andreas Gauß, Magnus Brandenburg, Dirk Stranghöner, Hans-Jürgen Husemann

Hans-Jürgen Husemann aus dem lippischen Leopoldshöhe hat 2015 für das Team Fallobst am Hermannslauf teilgenommen. Zu dem Zeitpunkt war er fest in der regionalen Naziszene verwurzelt. Auch wenn er nur in einem Jahr teilgenommen hat, so zeigt dies über all die Jahre hinweg bis heute die Normalität der Beteiligung rechter und neonazistischer Akteure beim Team Fallobst. Husemann war zu der Zeit sowohl im kameradschaftlichen Spektrum als auch im rechten subkulturellen Skinhead-Milieu organisiert. Er bewegte sich viel im Umfeld des Mindener Nazi-Spektrums um bekannte Personen wie André Bille, Jannik Rohlfing oder den langjährigen Kameradschaftsführer Marcus Winter. Im Jahr 2013 trat Husemann bei einem von der Road Crew OWL organisierten Fußballturnier im Jahr 2013 im Shirt der Mindener Jungs auf. Mit auf dem Foto ist auch der Neonazi Jan Weißberg zu sehen, der 2022 ebenfalls Teilnehmer für das Team Fallobst beim Hermannslauf war. Weiterer enger Kontakt von Husemann ist der Neonazi Dirk Stranghöner. Mit ihm reiste er auf Neonazikonzerte, wie z.B. das Honour&Pride–Festival in Nienhagen im Jahre 2014, wo mit Mark Pfeiffer auch ein weiteres Mitglied des Team Fallobst zugegen war.

Mark Pfeiffer: Fallobst und Mindener Jungs

28.06.2014, Honour&Pride Konzert Nienhagen, v.l.n.r.: Hans-Christian Kruse, Mark Pfeiffer, Dirk Fasold, Hans Kemner / Quelle: Pixelarchiv

Zwischen 2015 und 2019 war Neonazi Mark Pfeiffer Mitglied im Team Fallobst. Pfeiffer, der ursprünglich aus Gütersloh kommt, bewegte sich schon vor 20 Jahren in der regionalen Kameradschaftsszene. Er ist bis heute ein aktiver Neonazi und nimmt nach wie vor regelmäßig an einschlägigen Szene-Veranstaltungen teil. Auch während seiner Zeit beim Team Fallobst. Bilder des Neonazi-Festivals Honour&Pride 2014 in Nienhagen zeigen Mark Pfeiffer als Besucher. Pfeiffer nahm damals mit ua. Bernd Stehmann (Leopoldshöhe), Dirk Fasold (Leese), Hans-Christian Kruse (Petershagen) und Hans Kemner an dem Rechtsrock-Konzert teil. Die Honour&Pride-Konzerte wurden zwischen 2011 und 2014 von Blood&Honour/Combat 18 Nachfolgestrukturen organisiert und lockten bis zu 1800 Neonazis nach Nienhagen (Sachsen-Anhalt). Pfeiffers Begleiter, Dirk Fasold und Hans-Christian Kruse, arbeiteten 2014 als Ordner bei dem Rechsrock-Event. Fasold ist Mitglied der Mindener Jungs, einer Neonazi-Gruppe, die im ostwestfälischen Veltheim Neonazi-Konzerte veranstaltet. Bis zu dem Verbot im Jahr 2000 war Fasold Leiter der „Sektion Westfalen“ der „Divison Deutschland“ von Blood & Honour.

Ein beträchtlicher Teil seiner damaligen Blood&Honour-Kameraden sind heute Teil der Mindener Jungs. Auch Hans-Christian Kruse bewegt sich im Kreis der Mindener Jungs.

06.05.2017, Eichsfeldtag, v.l.n.r.: Mark Pfeiffer, André Michaelis, Dirk Fasold / Quelle: Recherche-Nord

Vier Jahre lief Neonazi Pfeiffer mit beim Team Fallobst. Auch an privaten (Trainings-) Zusammenkünften innerhalb des Team Fallobst nahm er in dieser Zeit teil, wie verschiedene Fotos bei social media belegen. So auch Bilder vom April 2017, die Pfeiffer u.a. mit Thomas Zimmer und Andreas Jäger am Johannisberg in Bielefeld zeigen. Nur wenige Wochen später, am 06.05.2017, reiste Mark Pfeiffer zusammen mit Dirk Fasold und André Michaelis (ebenfalls Mindener Jungs) zur NPD-Veranstaltung Eichsfeldtag in Leinefelde. Am Eichsfeldtag 2017 nahmen rund 500 Neonazis aus dem Bundesgebiet teil, lauschten den Rechtsrock-Bands Nahkampf und Lunikoff-Verschwörung und verschiedenen Rednern der Neonazi-Szene.

07.05.22, Veltheim, Oidoxie Konzert organisiert von den Mindener Jungs: Mark Pfeiffer (links) / Quelle: Pixelarchiv

Am 07.05.2022 nahm Pfeiffer dann an einem konspirativ organisierten Oidoxie-Konzert bei den Mindener Jungs in Veltheim teil, wie die Fotodokumentation belegt. Die Gruppe Mindener Jungs um Dirk Fasold und Marcus Winter (Minden) hat sich nach ihrem Gruppenemblem schon 1998 gegürndet, doch der Gruppenname wird erst seit einigen Jahren vermehrt verwendet. In Veltheim hat Marcus Winter einen Teil einer alten Gärtnerei für die Mindener Jungs gemietet. Zwischen 2016 und 2017 fanden dort Kampfsporttrainings statt, ab 2018 in regelmäßigen Abständen konspirativ organisierte Neonazi-Konzerte.

Jan Weißberg – Kameradschaftszene und Road Crew OWL

Fallobst Hermannslauf 2022: Reihe oben, v.l.n.r.: Thomas Zimmer, Marco Rabeneick, Jens Niehoff, Dirk Klemme. Reihe unten, v.l.n.r.: Jan Weißberg, Andre Krumm, Sebastian Kraus

Beim Hermannslauf 2022 nahm für das Team Fallobst auch der aus Lippe kommende Jan Weißberg teil. Seit mehr als 20 Jahren bewegt sich dieser in der regionalen Neonaziszene und ist gut mit den lokalen Strukturen vernetzt. Auf einem alten Gruppenfoto (circa 2002) steht er im Kreis ostwestfälischer Neonazis, die sich damals kameradschaftlich organisiert und u.a. auch in der ehemaligen Kneipe Postmeister am Bielefelder Kesselbrink getroffen haben. Vom Postmeister aus fanden regelmäßig Übergriffe auf nicht in das Weltbild der Neonazis passende Personen statt.

Road Crew OWL, v.l.n.r.: Magnus Brandenburg, Jörg Schiewald, Bodo Greweling, unbek., Jan Weißberg, Andreas Gauß, Dirk Stranghöner, Robert Kampeter, Michael Sundermann, Maurice Quakernack

Jan Weißberg war im Verlauf der Jahre auch Teil der neonazistischen Road Crew OWL. Die Gruppe bestand im Kern aus ca. 10 Personen, die nahezu alle aus dem neonazistischen Spektrum kommen und, wie bereits im vorherigen Absatz erwähnt, schon Anfang der 2000er Jahre kameradschaftlich organisiert waren. Die Road Crew OWL hatte in Lage-Kachtenhausen ein eigenes Clubhaus in den Räumlichkeiten des Motorradclubs Freeway Riders, zu dem es personelle Überschneidungen gab. In erster Linie agierte die Road Crew OWL im subkulturellen Bereich der rechten Erlebniswelt. Sie organisierten mehrere Rechtsrockkonzerte in der näheren Umgebung. Am 15.09.2012 fand ein Konzert mit den neonazistischten Bands Sleipnir und Agartha in Leopoldshöhe statt, bei dem Jan Weißberg organisatorisch eingebunden war. Zwei der von der Road Crew OWL organisierten Konzerte mit Endstufe und Kategorie C konnten auf Grund antifaschistischer Interventionen nicht stattfinden. 2015 gab die Road Crew OWL aufgrund des starken und anhaltenden antifaschistischen Protests ihr Clubhaus auf. Neben Rechtsrock hatte Fußball einen besonderen Stellenwert bei der Road Crew OWL. Wiederholt organisierte die Gruppe auch Fußballturniere, an denen Neonazis und rechte Hooligans teilnahmen, zum Beispiel von der rechten Fangruppe Freshmaker aus Bielefeld. Die hauseigene Band Knock Out stellte in ihrem Texten vor allem offensive männliche Inszenierung und Fußballerlebniskultur in den Vordergrund. In der Band spielten die Neonazis Andreas Gauß, Jörg Schiewald, Sven Göhner und Maurice Quakernack. Die beiden letztgenannten spielten zuvor in der Neonazi-Band Sleipnir. Verschiedene Mitglieder des Team Fallobst, darunter Michael Heyn, Andre Rübe, Thomas Zimmer und Dirk Klemme (beide Blue Army/OWT) zeigten sich auf facebook als Fans der rechten Band. Über die Überschneidung zwischen der Road Crew OWL und der Bielefelder Fußballszene berichteten 2011 auch überregionale Medien (https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2011/12/08/das-braune-musiknetzwerk-um-die-band-barking-dogs_7746).

2016 war Weißberg Teil einer Reisegruppe aus Road Crew-Mitgliedern. Gemeinsam mit Andreas Gauß, Robert Kampeter und Sven Göhner fuhr Weißberg am am 21.05.2016 nach Rom, um am Marsch der Völker Europas, organisiert von der faschistischen Casa Pound, teilzunehmen. Im Anschluss fand im Herzen von Rom das Neonazikonzert Tana delle Tigri, mit 5 Bands statt. Für Weißberg und seine mitreisenden lief der Ausflug zu den italienischen Faschist*innen nicht wie geplant. Ihr Van geriet in eine Gegenprotest, der den deutschen Neonazis eindrücklich deutlich machte, dass sie nicht erwünscht waren. https://antifainfoblatt.de/aib/hausarrest-fuer-roemische-antifas

Auch wenn Jan Weißberg in den letzten Jahren nicht mehr sichtbar an neonazistischen Veranstaltungen teilgenommen hat, so bleiben die Verknüpfungen in das neonazistische Spektrum weiter erhalten. Die alten Kameraden sind im privaten Umfeld weiterhin eng miteinander verbunden, die rechte bis hin zu neonazistische Ideologie und gemeinsames Feiern sind bis heute geblieben. Die meisten ihrer Aktivitäten finden nicht mehr primär im politischen Raum, sondern meistens auf privater und subkultureller Ebene statt. Man triff sich bei Geburtstagspartys, in der Kneipe oder anderen (zumeist unpolitischen) Konzerten oder Feiern. Durch eindeutige Äußerungen, das Tragen bestimmter Klamotten, Tattoos etc. wird ihr Weltbild weiterhin öffentlich zur Schau getragen.

Mai 2022: Reihe oben stehend, v.l.n.r.: unbek., unbek., Jan Weißberg, Michael Sundermann, Bernd Stehmann, Marcus Winter, Magnus Brandenburg, unbek. / Reihe unten, v.l.n.r.: Thomas Zimmer, Andreas Gauß, Dirk Stranghöner, unbek., unbek.
September 2021, Reihe oben, v.l.n.r.: Maurice Quakernack, unbek., Marco Gräfe, unbek., unbek. Peter van der Hoeven, Sven Göhner, Andreas Gauß, Dirk Stranghöner, unbek., Thomas Zimmer, Robert Kampeter, unbek., Michael Rose, Dennis Laghusemann, unbek., unbek., unbek., unbek., Lars Feldbusch, unbek. / unten v.l.n.r.: unbek., Michael Heyn, Magnus Brandenburg, Sebastian Zurheide

Die Bilder privater Partys bei dem langjährig aktiven Neonazi Dirk Stranghöner aus den Jahren 2021 und 2022 zeigen beispielhaft den Fortbestand der sozialen Bande der Neonazis. Und sie belegen die guten Kontakte der Fallobst-Mitglieder Michael „Onkel Heini“ Heyn, Lars Feldbusch und Thomas Zimmer in die ostwestfälische Neonazi-Szene. Ein GruppMai 2020, Jens Niehoff kommentiert Neonazi-Geburtstagsfeier, v.l.n.r.: Marucs Winter, unbek., Magnus Brandenburg, Michael Sundermann, Helge Broder, unbek. / unten Dirk Stranghönerenbild aus dem September 2021 zeigt Jan Weißberg vorne liegend, dahinter finden sich neben bekannten Neonazis wie Dirk Stranghöner, Maurice Quakernack, Andreas Gaus, Sven Göhner, Michael Rose und Magnus Brandenburg auch die Fallobst-Mitglieder Michael Heyn, Thomas Zimmer und Lars Feldbusch. Ein Gruppenbild aus dem Jahr 2022 zeigt die ostwestfälischen Neonazi-Kader Marcus Winter (Mindener Jungs) und Bernd Stehmann gemeinsam mit Thomas Zimmer und Jan Weißberg.

Mai 2020, Jens Niehoff kommentiert Neonazi-Geburtstagsfeier, v.l.n.r.: Marucs Winter, unbek., Magnus Brandenburg, Michael Sundermann, Helge Broder, unbek. / unten Dirk Stranghöner

Auch weitere Mitglieder des Team Fallobst sind mit Dirk Stranghöner freundschaftlich verbunden wie Markus Mittwoch (siehe Abschnitt Markus Mittwoch) und Dachdeckermeister Jens Niehoff. So kommentiert Niehoff 2020 ein Bild der Geburtstagsfeier Stranghöners mit dem Kommentar „Stabile Truppe“. Auf dem Bild sind lokale Neonazis zu sehen, darunter Marcus Winter, Magnus Brandenburg und Helge Broder. Broder trägt ein T-Shirt, auf dem das Lagertor des nationalsozialistischen Vernichtungslagers Auschwitz abgebildet ist mit dem Schriftzug „Eisenbahn Romantik“ in Fragturschrift. Über den volksverhetzenden Charakter des Shirts ist keine Diskussion nötig. Jens Niehoff gefällt es, wie auch den Fallobstlern Dirk Klemme und Stephan Lottermoser.

Kaum verwunderlich, so sind doch alle durch ihr patriarchales und rechts-nationalistisches Weltbild ideologisch miteinander verbunden.

So wundert es wenig, dass Jan Weißberg im Jahr 2022 als Mitglied des Team Fallobst beim Hermannslauf gelaufen ist, zusammen mit den ehemaligen Blue Army/OWT Hooligans Andre Krumm und Dirk Klemme. Als Schirmherr und Mitorganisator des Team Fallobst war Michael Heyn natürlich, auch wenn nicht aktiv beim Lauf, aber natürlich unterstützend dabei.

Juli 2019: oben v.l.n.r.: Mark Pfeiffer, unbek., Basti Homann / unten v.l.n.r.: „Mel Rabe Templer“, Jan Weißberg, Thomas Zimmer
Februar 2024: Sven Göhner + Thomas Zimmer

Thomas Zimmer ist seit vielen Jahren für das Team Fallobst beim Hermannslauf dabei, auch 2024 tritt er für das Team an. Der aus dem lippischen Raum kommende Zimmer zeigt sich privat immer wieder in Gesellschaft bekannter Neonazis aus dem früheren Kameradschafts- und Road Crew-Spektrum. Ob auf Fotos von Partys bei Dirk Stranghöner (siehe Abschnitt Jan Weißberg), in der Kneipe mit Dirk Heiermeier oder beim Feiern mit Jan Weißberg und Mark Pfeiffer. In seiner Freizeit tätowiert Zimmer, betätigt sich als Outdoor-Survival-Influencer auf instagram und geht gern auf den Schießstand. Kürzlich zeigte er sich auf facebook bei einem Abend unter Freund*innen. Er trug dabei ein Shirt der Neonazi-Band Bronson aus Rom, welche dem Umfeld der neofaschistischen Casa Pound zugerechnet werden. Neben ihm ist eine weitere Person mit Bronson-Shirt zu sehen sowie Sven Göhner im Shirt der Band Burzum. Letztere Band wird auf Grund nationalsozialistischer Positionen auch dem NSBM (National Socialist Black Metal) zugeordnet. Sven Göhner ist häufig an der Seite von Thomas Zimmer zu sehen. Göhner ist der ehemalige Schlagzeuger der Rechtsrock-Band Sleipnir. Thomas Zimmer ist somit Teil einer rechten Erlebniswelt.

Braunes Fallobst: nicht harmlos, sondern gefährlich

Das Team Fallobst besteht seit der Gründung 2014 zu einem nicht unerheblichen Anteil aus Personen aus dem (ehemaligen) rechten Hooliganspektrum sowie verschiedenen Personen aus dem neonazistischen Milieu. Die Personen, die wir in unserem Text näher betrachtet haben, sind durch ihre Organisierungen, Ideologie und ihr Handeln präsent und erwähnenswert. Gewaltbereitschaft, zur Schau gestellte Männlichkeitsinszenierung und Nationalismus bilden in dieser sozialen Gruppe das Bindeglied, das den Jahrzehnte währenden Männerfreundschaften zugrunde liegt. Der Teamkapitän Michael Heyn, als Alt-Hooligan vor einigen Jahren noch durch einen rassistischen Angriff in Erscheinung getreten, ist ein perfektes Sinnbild dafür. Die gealterten Hooligans und Neonazis sind mittlerweile in der bürgerlichen Mitte angekommen. Sie haben Familien, gehen Arbeit nach und nehmen am Stadtleben teil. Der Veranstaltungskaufmann und Spirituosenproduzent Marcel Lossie steht in der öffentlichen Stadtwahrnehmung am meisten im Fokus, sei es als Eventmanager im Lokschuppen, Gin-Verkäufer oder als Gesicht von Fruchtalarm. 2021 beschwerte sich Lossie öffentlichkeitswirksam darüber, dass junge Menschen in der Bielefelder Innenstadt Alkohol tranken, pöbelten und Musik hörten – ein Vorwurf, der verwundern kann, wenn man bedenkt, in welcher Regelmäßigkeit (von Lossie mehr als wohlwollend wahrgenommen) Massen Alkohol trinkender junger und auch nicht mehr junger Menschen an Arminia-Spieltagen durch Bielefeld ziehen. Oder auf den Straßen vorglüht auf dem Weg zu Lossies Oktoberfest im Lokschuppen. Auf Lossies (ziemlich überzogene) Kritik folgten prompt Einladungen des Oberbürgermeisters und anderer führender Politiker*innen aus der Stadt. Er ist eine Person mit Einfluss und gewisser Prominenz, dies spiegelt sich auch in der Berichterstattung lokaler Medien zu der Laufgruppe Team Fallobst. Von Gewaltverherrlichung und rechten Freunden liest man in den Artikeln nichts. So strahlt der karikative Zweck der Laufgruppe auch ein positives Licht auf die anderen Mitglieder. Diverse Mitglieder des Team Fallobst führen als Handwerker ihre eigenen Betriebe, zum Beispiel Markus Mittwoch (Malermeister Mittwoch), Andreas Jäger (Dach Jäger) oder auch Jens Niehoff (Jens Niehoff Zimmerei & Bedachung). Und unterhalten privat Kontakte zu Neonazis.

Dies geschieht vor den Augen der Bielefelder Stadtgesellschaft. Wenn wir uns heute fragen müssen, wie es sein kann, dass eine profaschistische Partei wie die AfD so große Unterstützung findet, woher die weit verbreiteten rechten, rassistischen und nationalistischen Einstellungen in der Bevölkerung herrühren, müssen wir einen ehrlichen Blick auf unsere eignen unmittelbaren Umfelder richten. Welche Positionen akzeptieren wir? Welchen Grad an Gewaltbegeisterung? Faschistische Zustände funktionieren nicht allein durch die organisierten Faschist*innen, sie funktionieren durch ihre Unterstützer*innen und Freund*innen, durch einen bürgerlichen Mittelstand, der ihnen die Türen öffnet. Unser Ziel ist es, eine rechte Hegemonie zu durchbrechen indem wir aufzeigen, in welchen Einflussbereichen sich die Personen des Team Fallobst bewegen und mit welcher Normalität und Akzeptanz sie sich in der Stadtgesellschaft bewegen. Mit ihrer geschickten Inszenierung als „die netten Jungs von nebenan“ schaffen sie es, Personen jeglicher rechter Couleur in der Mitte der Gesellschaft zu platzieren. Das ist nicht harmlos, es ist gefährlich.