Neonazi-Konzert in Porta Westfalica am 07.05.22

Werbe-Flyer für das Konzert in Porta

Am Freitag, den 07. Mai 2022, fand ein konspirativ organisiertes RechtsRock-Konzert (Unplugged) mit der Dortmunder Band Oidoxie in Porta Westfalica (Kreis Minden-Lübbecke) statt. Organisiert wurde das Konzert von der Gruppe Mindener Jungs. Rund 100 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet nahmen an dem Konzert teil. Obwohl die Polizei über das Konzert informiert war und auch Beamt*innen des Bielefelder Staatsschutz vor Ort waren, konnten die Neonazis ihr Konzert ungestört und von der Polizei unbehelligt durchführen.

 

Organisation aus OWL: Alte Bekannte

Hinter den Mindener Jungs verbirgt sich eine Struktur um die langjährig bekannten Neonazis Marcus Winter (Minden) und Dirk Fasold (Leese). Nach eigenen Angaben existieren die Mindener Jungs seit 1998. Mitglieder der Gruppe sind seit vielen Jahren Teil der ostwestfälischen Neonazi-Szene. Im Februar 2018 gab der Verfassungsschutz NRW an, die Mindener Jungs stünden unter Beobachtung.

Mindener Jungs im Juli 2020: vlnr. Dirk Fasold, André Michaelis, Marcus Winter und Michael Holland

Marcus Winter ist seit über 20 Jahren in der ostwestfälischen Neonazi-Szene aktiv. Er führte mehrere neonazistische Kameradschaften wie die Kameradschaft Weserbergland, Nationale Offensive Schaumburg und sowie die überregionale Vernetzungsstruktur Westfalen Nord. Winter bemühte sich um die Schaffung „nationalbefreiter Zonen“ in OWL und ist für diverse Angriffe auf linke Strukturen und antifaschistisch engagierte Personen verantwortlich. Er ist mehrfach verurteilt wegen schwerer Gewalttaten und Volksverhetzung. Zu seinem politischen Betätigungsfeld gehörten neben dem lokalen Strukturaufbau auch die Vernetzung mit Neonazi-Strukturen aus anderen Teilen der BRD. Er organisierte die bis 2015 jährlich stattfindenden geschichtsrevisionistischen Trauermärsche in Bad Nenndorf und veranstaltet seit über 15 Jahren regelmäßig Neonazi-Konzerte. Ab 2010 verstärkte Winter seine Konzert-Aktivitäten und organisierte diverse Konzerte mit nationalen und internationalen Bands, die dem Neonazi-Netzwerk Blood & Honour / Combat 18 (B&H / C18) zugeordnet werden. In den letzten Jahren verzichtete Winter weitgehend auf öffentlich Auftritte, blieb aber aktiver Neonazi-Kader.

24.03.2018 Veltheim: Fasold und Winter Quelle: Recherche Nord

2016 trat er beim neonazistischen Kampfsportevent Kampf der Nibelungen als Kämpfer gegen den russischen Neonazi Denis „Nikitin“ Kapustin an. Im gleichen Jahr mietete Winter das ehemalige Gärtnerei-Gelände im Sprengelweg in Veltheim (Porta Westfalica) an, wo auch das Konzert vergangenen Freitag stattfand. Winter gab damals an, das Gebäude als Boxclub zu nutzen. Am 24.03.2018 veranstalteten Winter und Fasold ein Konzert mit der Kombo Sturmwehr. Das Akustik-Konzert des Duos, bestehend aus Jens Brucherseifer und Martin Böhne, wurde über die internationale Website der seit 2000 in Deutschland verbotenen B&H-Netzwerks beworben. Bilder des Konzerts zeigen die Veranstalter Winter und Farsold an dem Veranstaltungsort in Veltheim. Obwohl das Konzert Blood & Honour klar zugeordnet werden konnte, ließ die Polizei das Konzert stattfinden. Nachdem Antifaschist*innen das konspirativ organisierte Konzert sowie die Akzeptanz-Strategie der Behörden öffentlich machten, berichteten auch lokale Medien. Dirk Fasold war bis zum Verbot von B&H im Jahr 2000 Leiter der B&H-Sektion Westfalen und ist seit über 20 Jahren mit Winter bekannt und politisch aktiv. Das Sturmwehr-Konzert 2018 blieb nicht das letzte. Am 27. Juli 2019 veranstalteten die Mindener Jungs einen Balladen-Abend.

18.09.2021 Veltheim: Hier und Jetzt – Konzert bei den Mindener Jungs (Quelle: Facebook)

Am 18.09.2021 fand ein Konzert mit Projekt Hier und Jetzt (HJ, Martin Böhne Gitarre & Gesang sowie Patrick Barth am Schlagzeug) in den Räumen statt, sowie am 09.10.2021 erneut ein Konzert mit Sturmwehr (Jens Brucherseifer & Martin Böhne mit Verstärkung durch Patrick Barth am Schlagzeug). Fotos der Konzerte belegen, dass es sich um den gleichen Veranstaltungsort handelt. Zu sehen ist in den Aufnahmen ein Holzbalken, auf dem der Schriftzug „Mindener Jungs est. 1998“, gerahmt von zwei eisernen Kreuzen, zu lesen ist. Die Querstreben des Balkens sind mit eingeschnitzten Totenköpfen versehen. Die Räumlichkeiten sind ausgebaut und verfügen über Veranstaltungstechnik.

Oidoxie am 07.05.2022

Drei der bisherigen bekannten Konzerte der Mindener Jungs wurden mit Acts veranstaltet, die entweder eng vernetzt mit der musikalischen Abteilung des Blood & Honour / Combat 18 – Netzwerks sind oder dieser direkt zugeordnet werden können. Dies belegt unter anderem die Bewerbung des Sturmwehr-Konzerts im März 2018 auf der offiziellen Blood & Honour-Homepage. Und es passt in Winters Konzert-Portfolio, der schon 2007 ein Konzert mit der B&H- Band Weisse Wölfe in Minden organisierte. Die Band Oidoxie aus Dortmund gilt als das musikalische Sprachrohr von Combat 18. Das Netzwerk Combat 18 (C18) verstand sich als bewaffneter Arm von Blood & Honour und wurde 2020 schlussendlich verboten. Im Umfeld der Band formierte sich vor 5 Jahren die B&H / C18-Gruppierung Brothers of Honour, seit 2019 treten die Mitglieder in entsprechenden Kutten auf. Oidoxie-Sänger Marko Gottschalk ist das exponierteste Mitglied der Brothers of Honour und fällt seit Jahren in entsprechender Kleidung auf.

Neben dem Schriftzug „Brothers of Honour“ ziert die Kutten die Zahl 28 (für den 2. und den 8. Buchstaben des Alphabets), die auch von Blood & Honour als Kennziffer verwendet wird. Der C18-Leitspruch „Whatever it takes“ ziert die Kutten ebenso wie Patches mit der Aufschrift 28FF28 (ausgeschrieben Blood & Honour forever – forever Blood & Honour) und stellen ein Bekenntnis an das verbotene B&H/ C18 -Netzwerk dar. Die Gruppe Exif-Recherche schreibt dazu: „Die «Brothers of Honour» sind ein integraler Bestandteil von B&H/C18, sie pflegen intensive Verbindungen zu den C18-Gruppen in Skandinavien, England, der Schweiz und Polen und werden von diesen als das deutsche C18 angesehen.“ Konzerte bilden in dieser Szene nicht nur eine lukrative Einnahme-Quelle, sondern sie bieten den Neonazis auch die perfekte Kulisse für Vernetzungstreffen. Die Konzerte von Oidoxie stechen dabei besonders heraus. Dazu Exif-Recherche: „So wurde die Neustrukturierung des internationalen Netzwerks von B&H/C18 am 3. März 2012 im Rahmen eines «Oidoxie»-Konzertes in Schweden beschlossen.“ Das B&H/C18-Netzwerk ist für diverse rechtsterroristische Anschläge weltweit verantwortlich und war u.a. in die Unterstützungsstrukturen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) eingebunden.

Auch am vergangenen Freitag (07.05.2022) zeigten sich Mitglieder der Brothers of Honour in entsprechender Kleidung, wie Fotos belegen. Die Polizei hat also erneut ein Konzert mit Beteiligung bekannter Akteur*innen des verbotenen B&H/ C18 – Netzwerks stattfinden lassen.

 

07.05.2022: Mitglieder der Brothers of Honour in Veltheim Quelle: Pixelarchiv

 

 

 

Kontinuitäten: Neonazis und das Versagen der Behörden

Mit den Räumlichkeiten in Veltheim (Porta Westfalica) existiert ein Treffpunkt und Veranstaltungsort der militanten Neonazi-Szene in OWL, der bei Konzerten auch zur bundesweiten Vernetzung der Szene genutzt wird. Die Gruppe Mindener Jungs ist den Behörden seit Jahren bekannt und steht offiziell unter Beobachtung. Die Polizei und der Staatsschutz billigen die Konzerte und ermöglichen Akteur*innen von B&H / C18, sich in Ostwestfalen zu treffen und zu vernetzen. Im Verfassungschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 2021 werden die Konzerte der Mindener Jungs nicht mal erwähnt – laut VS fand 2021 kein einziges Neonazi-Konzert in NRW statt. Die behördliche Akzeptanz-Stragie schafft der militanten Neonazi-Szene eine Rückzugsraum im ostwestfälischen Hinterland und ermöglicht ihnen die Finanzierung ihrer Strukturen.

07.05.2022 Veltheim: vlnr. Unbk., Marcus Winter, Dirk Fasold, Sebastian Harre, André Michaelis Quelle: Pixelarchiv

Wie so oft liegt es nun an Antifaschist*innen, öffentlichen Druck aufzubauen und aufzuklären. Militante Neonazis wie Winter, Fasold und die Mindener Jungs müssen aus der Deckung geholt und ihre Aktivitäten ans Licht gebracht werden. Ihr Treiben stellt ein konkrete Gefahr für Alle dar, die nicht in das Weltbild der Neonazis passen. Es darf keine weiteren ungestörten Neonazi-Konzerte in OWL geben. Das hier auf die Behörden kein Verlass ist, haben die letzten Jahre deutlich gezeigt. Es braucht entschlossenen und starken antifaschistischen Protest, damit Veltheim nicht weiter Anzugspunkt für Neonazis bleibt.

 

– Bilderstrecke vom Konzert am 07.05.22:

https://pixelarchiv.org/event/2022.05.07.porta.westfalica/1#001.jpg

– Bilderstrecke zum Konzert am 24.03.2018:

https://recherche-nord.com/gallery/2018.03.24.html

– Ausführliche Infos zu Marcus Winter:

https://recherchenetzwerkhannover.org/2021/01/05/historische-entwicklung-der-extrem-rechten-szenen-zwischen-hannover-schaumburg-und-nienburg/

– Ausführliche Infos zu Oidoxie / C18/ Marko Gottschalk:

https://exif-recherche.org/?p=6351

 

Hier noch der Text als PDF zum Download: