Zur Demo am 04.02.22: rechte Querfront und „Freie Linke“

Am Freitag, den 04.02.22, zogen erneut ca. 1800 Impfgegner*innen, Pandemie-Leugner*innen und Verschwörungsgläubige durch Bielefeld. Sie waren dem Aufruf der verschwörungsideologischen Gruppe „Bielefeld steht auf“ um André Jesse und Angela Landwehr gefolgt. Sowohl auf der Straße als auch in der namensgleichen Telegram-Gruppe stagniert die Zahl der Teilnehmenden. Die Masse der Demo-Teilnehmer*innen reist zu den „Bielefeld steht auf“-Demos aus dem ostwestfälischen Umland an. Die immer kleiner werdenden verschwörungsideologischen Montagsdemos mit Teilnehmer*innen-Zahlen zwischen 50 und 100 Personen belegen die geringe Größe der Bielefelder verschwörungsideologischen Szene. Bei den überregionalen Großdemos in Bielefeld, Paderborn oder auch Osnabrück bemüht sich die Szene der Rückversicherung, Teil einer imaginierten Mehrheit zu sein. Dabei sind sie sowohl in den Großstädten als auch in den kleinen Gemeinden eine traurige Minderheit.

Verschwörungsmythen, rechte Hetze und die „Freie Linke“

04.02.22: Toni Kopke & andere Verschwörungsgläubige in Bielefeld

Wir haben in der Vergangenheit mehrfach und ausführlich die ideologische Verortung der Gruppe „Bielefeld steht auf“ dargelegt. An dieser hat sich nichts geändert. Das Personenspektrum, dass die Demos von „Bielefeld steht auf“ besucht, bewegt sich in digitalen geschlossenen Echokammern, in denen antisemitische Verschwörungsmythen und wissenschaftsfeindliche Fake News dominieren. Die AfD wird als einzig wählbare Partei gehandelt, wenn Wählen nicht ohnehin als systemstützend abgelehnt wird. Kritik an Nationalismus, Rassismus oder Antifeminismus sind weder in Bezug auf die AfD noch allgemein zu finden. Es werden Sympathien für autoritäre und diktatorische Staatssysteme wie Belarus geäußert und die Hoffnungen auf nationalistische Herrscher wie Trump oder Putin gesetzt. Nichts davon ist freiheitlich oder emanzipatorisch. In dem Dunstkreis dieses Spektrums bewegt sich eine Splittergruppe, die sich „Freie Linke“ nennt. Seit Dezember sind Mitglieder der „Freien Linken“ auch in OWL auf den Demos aktiv und zeigen sich mit der Fahne der Gruppe. Doch bei genauerem Hinschauen zeigt sich schnell: die „Freie Linke“ ist alles andere als links. Sie ist eine Querfront-Gruppe mit hierarchischer Führung, bei der der Schulterschluss mit AfDlern und Neonazis keine Einzelfälle, sondern die Regel sind!

Die „Freie Linke“ fühlt sich berufen, durch links assoziierte Symboliken und Parolen den rechtsdominierten Protesten der Pandemie-leugnerischen Szene einen anderen Anstrich zu verpassen. Die Beteiligung rechter und neonazistischer Personen an den Anti-Corona -Demos wird als politisch notwendig gerechtfertigt. Eine Abgrenzung findet nur in Richtung der linken Szene statt, die sich seit Beginn der Pandemie gegen die rechte Querfront bei Querdenen und Co stark macht. Mit dem organisierten rechten Spektrum teilt die Freie Linke nicht nur die Straße, sondern auch die Feindbilder. Die Medien werden schon in der Ersterklärung der „Freien Linken“ vom 01.01.21 als „gesellschaftliche und politische Brandbeschleuniger, die jegliche demokratische Prozesse vergiften, unterbinden und die Spaltungen und Zerwürfnisse politisch und innerhalb der Gesellschaft weiter vorantreiben“ (Freie Linke vom 01.01.21). Die Beteiligung rechter und neonazistischer Personen an den Anti-Corona -Demos wird als politisch notwenidg gerechtfertigt. Die Dominanz antisemitischer Verschwörungsmythen wird akzeptiert, kritische Stimmen dazu wie die von Anetta Kahane (Leiterin der Amadeo-Antonio-Stiftung) werden ebenfalls als Feinde markiert. Im Sprech neofaschistischer Organisationen wie der Identitären Bewegung wird von „Globalisten“ und „Machteliten“ gesprochen, die Pandemie sei ein geheimer Plan, um einen „Klimalockdown“ herbeizuführen und den „Transhumanismus der Eliten“ zu befördern. Kann man alles schreiben – dann schreibt man halt antisemitische Verschwörungsmythen.

Über diese verschwörungsideologischen Erklärungsansätze für die Pandemie und den gezielten Schulterschluss mit Neonazis, Faschist*innen und organisierten Rechten inklusive der zugehörigen gemeinsamen Feindbilder hinaus bietet die Freie Linke wenig kohärente inhaltliche Positionen. Bestimmend ist die Idee, die Anti-Corona-Demos für einen Umschwung zu nutzen – was danach kommen soll, bleibt unklar. Was dann mit den Neonazis und AfDlern passieren soll, die man durch gemeinsame Demos gestärkt hat, bleibt unerwähnt. Was die Feinde der „Freien Linken“ nach dem ersehnten Umschwung dann erwarten soll findet ebenfalls keine Erwähnung.

Toni Kopke von der „Freien Linken“

Stattdessen gibt es bundesweit gemeinsame Demos und teilweise personelle Überschneidungen der „Freie Linke“-Mitglieder mit bekannten Neonazis – auch in OWL!

Freie Linke“ regional

Mitglied der ersten Stunde und Admin diverser „Freie Linke“-Gruppen bei facebook und telegram ist Toni Kopke aus Lage (OWL). Nach einer internen Spaltung der „Freien Linken“ aufgrund mangelnder Abgrenzung gegen Neonazis und Antisemitismus ergriff Kopke gemeinsam mit einigen weiteren Personen das Zepter, schuf neue Telegram-Gruppen und scharte Anhänger*innen um sich. Kopke und seine Mitstreiter*innen gehören zu der Fraktion, die eine Abgrenzung nach rechts ablehnt, wie sich aus der bei Telegram öffentlich geführten Diskussion im Juli 2021 nachvollziehen lässt. Die Gruppe um Kopke wurde für ihre Akzeptanz von „Antisemitismus oder ultrarechten geschichtsrevisionistischen und teils kaum kaschierten chauvinistischen Positionen“ (Telegram 05.07.21) kritisiert. Zur Struktur der FL gehört die „Zentrale Koordonation“(ZK), der Kopke nach der Spaltung angehörte und die in der hierarchischen Struktur der FL für politische Programmatik und Koordination zuständig ist. ZK-Mitglieder geben die FL-eigenen Fahnen an die Mitglieder aus. In NRW ist unter anderem Toni Kopke für die Verteilung der FL-Fahnen verantwortlich. Sechs Tage nach der Spaltung teilt ein Mitglied der FL NRW Fotos von einem Grill-und Campingausflug von FL-Mitgliedern. Auf den Fotos sind Mitglieder der rechten „Corona Rebellen Düsseldorf“ sowie der Neonazi Kevin Gabbe beim FL-internen Campen zu sehen. Auch Kopke selbst scheut keinen Kontakt mit aktiven Neonazis. Neben den Fl-Gruppen ist Kopke auch für den Telegram-Kanal „Lippe OWL Protest und Widerstand“ mitverantwortlich und teilt dort Videos und Bilder der wöchentlichen Schilderaktion des Neonazis und HDJ-Funktionärs Gerd Ulrich. Die anderen Gruppen-Admins „aymes“ und „Jani“ beteiligten sich mehrfach aktiv an der Schilderdemo Ulrichs. Am 30.12.21 fuhr Kopke gemeinsam mit FL-Frontfrau Sandra Gabriel zu der Schilder-Demo nach Detmold und erstellte ein Propaganda-Video der Aktion. Danach schrieb er im Telegram-Chat: „Jap, müssen sich noch mehr beteiligen, waren ja auch noch Schilder übrig“.

30.12.21: Sandra Gabriel und Toni Kopke bei Gerd Ulrichs Schilder-Demo in Detmold

Auf der von Gabriel und Kopke mitorganisierten verschwörungsideologischen Demo in Lemgo am 29.01.22 standen folgerichtig dann auch die Neonazis Gerd und Anna-Maria Ulrich gemeinsam mit dem stellvertretenden Leiter des rassistischen Thule-Seminars Burkhart Weecke in der ersten Reihe bei der Auftaktkundgebung. Mit Sandra Gabriel aus Halle an der Saale reist Toni Kopke seit Beginn 2021 zu Anti-Corona-Demos bundesweit, z.B. nach Leipzig, Berlin oder auch Kassel. Gabriel meldet in Halle an der Saale verschwörungsideologische Demos an und ist immer wieder durch die Nähe zu dem bekannten Neonazi Sven Liebich (ebenfalls Halle) und seiner Gefolgschaft ins Licht der Öffentlichkeit geraten. Ein Video zeigt Gabriel am 27.02.21 in einer größeren Gruppe Neonazis in Halle. Eine Person vor Gabriel zeigt zweimal sehr deutlich den Hitlergruß, Gabriel stört sich nicht daran, läuft weiter mit in dem Mob und filmt.

Querfrontler: Sandra Gabriel und Toni Kopke

Die Neonazi-Kleingruppe „Anti-Antifa-Germany“ aus Berlin bezeichnet Gabriel „als eine unserer Aktivisten“. Am 18.12.21 teilte sie sich bei einer Anti-Corona-Demo das Mikro mit einem Mitglieder der Jungen Alternative Paderborn. Die Rede des JA-Mitglieds teilten Gabriel und Kopke danach in der Telegram-Gruppe „Lippe OWL Protest und Widerstand“. Auch in der Gruppe sind bekannte Neonazis Mitglieder, so pries Lennard Sanner hier den rechten Anwalt Hendrik Schnelle am 01.01.22 als Rechtsvertretung bei Ordnungswidrigkeitsverfahren an. Als am 17.12.21 und am 07.01.22 Neonazis und Neofaschisten die Auseinandersetzung mit der Polizei suchten und Absperrungen durchbrachen, war Toni Kopke damit beschäftigt, antifaschistische Gegendemonstrierende zu beleidigen.

Weder die „Freie Linke“ noch ihre Frontpersonen Toni Kopke und Sandra Gabriel sind antifaschistisch, emanzipatorisch oder antirassistisch! Sie verbreiten antisemitische Verschwörungsmythen und paktieren mit Neonazis. Da hilft auch eine rote Fahne nichts!

Rechte Beteiligung am 04.02.22

04.02.22: Florian Schürfeld bei „Bielefeld steht auf“ (Quelle: Doku Netzwerk OWL)

An den regionalen Großdemos der verschwörungsideologischen Szene haben in den letzten Wochen immer auch bekannte Personen der rechten Szene teilgenommen – ob in Bielefeld, Paderborn oder auch Lemgo. So auch am 04.02.22 in Bielefeld. Von der Neonazi-Kleinstpartei „Die Rechte“ lief der Bielefelder Tim Sauer mit. Florian Schürfeld, Burschenschafter bei der Normannia Nibelungen und Aktivist der Identitären Bewegung, nahm mit drei weiteren Personen an der Demo von „Bielefeld steht auf“ teil.

04.02.22: Tim Sauer bei „Bielefeld steht auf“

Von der nationalistischen Jungen Alternative Bielefeld nahm Tim Marvin Braungart mit entsprechender Fahne am Aufzug teil. Auch Reimund Ruhe von AfD Paderborn lies sich blicken. Als weiteres bekanntes Gesicht zeigte sich der verschwörungsideologische Zahnarzt Oliver Samson (Minden) in Bielefeld. Gegen Samson wird derzeit polizeilich ermittelt, nachdem er am 03.01.22 einen Teil der verschwörungs-ideologischen Montagsdemo in Minden zum Haus der Landrätin Anna Bölling führte.

Es ist der beständigen kritischen Öffentlichkeit geschuldet, dass sich in den letzten Wochen weniger Personengruppen aus dem organisierten neonazistischen und neofaschistischen Spektrum auf Bielefelds Straßen getraut haben. Von „Bielefeld steht auf“ und den anderen Gruppen ist keine glaubhafte Distanzierung in diese Szene erwarten. Das Beispiel der „Freien Linken“ zeigt eindrücklich, dass hier bereitwillig Seite an Seite mit organisierten Rechten demonstriert wird. Denn es gibt viele ideologische Schnittmengen. Darum müssen diese Demos auch weiterhin als das bezeichnet werden, was sie sind: Aufzüge einer rechten verschwörungsideologischen Querfront!

 

Quellen:

https://freie-linke.de/mitteilungen-der-freien-linken/aufruf-der-freien-linken

https://freie-linke.de/freier-funke/2021/06/kommt-der-klimalockdown#more-2092

https://twitter.com/IfS_dicht/status/1365756687060262912

https://twitter.com/AZeckenbiss/status/1365719378268991491

https://www.belltower.news/freie-linke-die-anti-impf-anti-imps-121205/

https://www.belltower.news/tag-der-deutschen-einheit-neonazis-und-corona-leugner-mobilisieren-nach-halle-121989

 

Stellungnahme als PDF zum Download: