Am 24.07.20 fand in Herford zum 4. Mal die antimuslimisch-rassistisch motivierte Aktion gegen den Muezzin-Ruf statt. Initiiert hat diese Aktion Marcel Bauersfeld, ein rechter Agitator, der seit vielen Jahren in Herford aktiv ist. Beim ersten Mal versuchte er mit seiner ur-deutschen Kuhglocke den Islam aus Herford zu verjagen. Nachdem diese konfisziert wurde, kommt er jeden Freitag mit einem neuen Topf an, um damit Krach zu machen. Beim letzten Mal waren allerdings ca. 20 Unterstützer*innen aus dem AfD-Umfeld, Reichsbürger*innen sowie Birgit Ebel vor Ort, um sich mit Bauersfeld zu solidarisieren. Die AfD nutzte den letzten Freitag, um Promo-Videos für ihren Wahlkampf zu machen. Die Brisanz in Herford ist nicht an der Person Bauersfeld festzumachen, sondern vielmehr an denjenigen, die auf den antimuslimisch-rassistischen Zug aufspringen um die Stimmung für ihre Zwecke zu nutzen. Folgend unsere Einschätzung in Textform und zudem auch als PDF.
Gestern ging der rechte Protest gegen den Muezzin-Ruf an der DITIB-Moschee in Herford in die vierte Runde. Der Herforder Marcel Bauersfeld wird bei der AfD und auf rechten Blogs zum Helden hochstilisiert, weil er seit 4 Wochen erst mit Kuhglocke, dann mit Kochtopf vor der Moschee Ruhestörung betreibt. Wie wir bereits in unserer Stellungnahme vom 19.07.2020 dargestellt haben, handelt es sich bei Bauersfeld um einen bekannten rechten Aktivisten aus Herford, der 2014 bis 2015 die rechtsoffenen Montagsmahnwachen in Herford organisierte. Insbesondere die AfD NRW ist bemüht, den Muezzin-Ruf für den Kommunalwahlkampf auszuschlachten. Dabei wird Bauersfeld entpolitisiert („weder links-, noch rechtsextrem“) zum „mutigen“ und „couragierten Bürger“ gemacht, der einer vermeintlichen Islamisierung entgegen trete1. Auch die regionalen Kreis- und Stadtverbände der AfD wie Bielefeld, Minden-Lübbecke oder Bad Oeynhausen greifen das Thema dankend auf und nutzen die Situation in Herford für ihre antimuslimisch-rassistische Agenda.
So wundert es wenig, dass am vergangenen Freitag (24.07.2020) neben einigen Personen aus der Reichsbürger-Szene und dem obligatorischen Bauersfeld auch diverse Funktionäre der AfD in Herford vor Ort waren. Ca. 20 Personen fanden sich auf der anderen Straßenseite der Moschee ein. Markus Wagner, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag NRW, reiste mit eigenem Medien-Team an, um vor Ort ein Propaganda-Video für den Wahlkampf zu drehen.
Als Mikrofon-Halter und Handy-Filmer fungierte Maximilian Kneller (u.a. AfD Bielefeld, JA NRW). Kneller arbeitet seit 2018 für das Presseteam der AfD-Landtagsfraktion. Politisch fällt er seit 2015 kontinuierlich durch aggressiven Sexismus und offene Misogynie auf.
Auch der AfD-Bundestagsabgeordnete Udo Hemmelgarn aus Harsewinkel wirkte an dem Propaganda-Video mit.
Hemmelgarn war 2015 Initiator des sogenannten Alternativen Wissenskongresses und bis 2017 im Vorstand des Vereins zur Förderung des politischen Dialogs. Die Alternativen Wissenskongresse werden als Reichsbürger-affin eingeschätzt. „Dort treten Verschwörungstheoretiker aller Couleur auf, und da gibt es deutlich inhaltliche Schnittmengen.2“ Hemmelgarn selbst hat Medien gegenüber wiederholt jede Verbindung zur Reichsbürger-Szene bestritten. Am Freitag stand er jedenfalls gemeinsam mit einigen gut erkennbaren Vertreter*innen dieser Szene in Herford.
Auch der rechtspolitische Sprecher und ehemalige Vorsitzende der AfD NRW Thomas Röckemann tauchte vor der Moschee auf. Röckemann ist ein politischer Hardliner und wird dem rechtsnationalen „aufgelösten“ Flügel der AfD zugerechnet. Der Anwalt aus Minden vertrat 2013 den Neonazi Marco Franke, nachdem dieser einen neonazistischen Überfall auf eine linke Kneipe in Minden koordiniert hatte3. Röckemann steht so weit rechts, dass im Februar 2020 der damalige Sprecher des AfD-Kreisverbandes Minden-Lübbecke Burkhard Brauns von allen Ämtern zurück und aus der Partei austrat4.
Brauns bekennt sich aber auch öffentlich weiter zu den politischen Zielen der AfD und beschreibt diese als „eine Kraft, die sich der fortschreitenden illegalen Zuwanderung, einer ebenfalls rapide fortschreitenden Gefahr durch den politischen Islam und nicht zuletzt der Aushebelung des Grundgesetzes durch eine Frau Merkel und deren Willkommensklatschern in den Altparteien und den Kirchen entgegenstellt5“.
Folgerichtig war Brauns auch am Freitag in Herford, zusammen mit dem Schatzmeister der AfD Minden-Lübbecke Jürgen Sprick. Sprick hatte
bei facebook öffentlich dazu aufgerufen, am Freitag in Herford vor der Moschee zu erscheinen. Aus Herford selbst kam AfDler Roland Sprenger zu den rechten Protesten. Der pensionierte Lehrer hat eine Petition gegen den Muezzin-Ruf gestartet und forderte die Anwesenden zur Unterzeichnung auf.
Unter den AfD- und Reichsbürger-Protestler*innen war auch Birgit Ebel. Birgit Ebel ist Gesamtschullehrerin in Herford und engagiert sich seit Jahren, nach eigener Aussage, gegen den politischen Islam. Dabei sucht sie immer wieder den Schulterschluss mit der Neuen Rechten und rassistischen Rechtspopulist*innen.
So ist Ebel Sprecherin der rechtspopulistischen BASIS-Initiative und gab in dieser Funktion auch schon der rechten Zeitung Junge Freiheit ein Interview. „Diese Initiative äußert sich kulturalistisch bis rassistisch, ein sofortiger Aufnahmestopp (für die Dauer von 3 Jahren) für Geflüchtete wird gefordert. Eine kurze Einordnung dieser Forderung: die einzigen Parteien in Deutschland, die einen Aufnahmestopp, also die faktische Grenzschließung, über Jahre fordern, sind AfD, NPD und Die Rechte6.“ Wir haben im März 2020 auf unserer Seite zwei ausführliche Stellungnahmen der Fantira Bielefeld zu Birgit Ebel und der BASIS-Initiative veröffentlicht, in welchen der von der BASIS-Initiative betriebene antimuslimische Rassismus aufgezeigt wird. Daraufhin gab es im Internet heftige, teils emotionale Reaktionen aus dem breiten Unterstützer*innen-Umfeld von Ebel. Ebel selbst stellt sich immer wieder als Frontkämpferin gegen Rassismus und Sexismus dar, jegliche Kritik – bspw. an ihrer Rolle als Sprecherin der BASIS-Initiative – wird kategorisch als Diffamierung abgebügelt.
Ebels Teilnahme an dem AfD-Protest am vergangenen Freitag hat nun eine neue Stufe des öffentlichen Bekenntnisses zum rechten Schulterschluss offenbart. Ebel hielt sich mit einem Begleiter bei dem Protest auf, filmte Bauersfeld vor der Moschee mit dem Handy ab und führte immer wieder auch Gespräche mit den Anwesenden. Eine Distanzierung von der AfD oder anwesenden Reichsbürger*innen fand nicht statt! Die Teilnahme an einem solchen Protest ist eine klare politische Positionierung! Wir zitieren die Stellungnahme der Fantira vom März: „Kritik an religiösem Fundamentalismus wie bspw. dem Salafismus ist wichtig und notwendig. Wenn diese Kritik aber mit rechten Positionen (…) verknüpft wird, dann handelt es sich nicht um Aufklärung oder den Kampf für Emanzipation, sondern um rechte Propaganda.“
Bauersfeld verbrachte den Freitag im Übrigen im Polizei-Bulli – so gab es wenig zu jubeln für seine Fans!
Die Situation in Herford ist derzeit dynamisch und bietet verschiedenen rechten Akteur*innen eine Bühne. Darum ist antifaschistischer Protest wichtig und notwendig. Dabei geht es nicht um die Verteidigung einer bestimmten religiösen Praxis, sondern um den Kampf gegen rassistische Hetze und rechte Agitation! Wir überlassen die Bühne keinen Rassist*innen, ob aus der AfD, der Reichsbürger-Szene oder der Nachbarschaft!
1https://www.facebook.com/afdfraktionNRW/photos/a.1920199591525761/2675444982667881/?type=3&theater
2https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/rechtsextremismus-reichsbuerger-naehe-zur-afd-alarmiert-innenpolitiker/24008182.html
3http://www.hiergeblieben.de/pages/textanzeige.php?id=37578Marco
4https://www.westfalen-blatt.de/OWL/Kreis-Minden-Luebbecke/Luebbecke/4149723-Ehemaliger-Minden-Luebbecker-Kreissprecher-distanziert-sich-vom-Kreisvorstand-Burkhard-Brauns-tritt-aus-der-AfD-aus
5Ebd.
6https://rkowl.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1146/2020/03/Nachtrag_Ebel.pdf